3. Neuzeit

3.1 Der Bauernaufstand und der Dreißigjährige Krieg

Da die Zehntlasten, die Frondienste und auch die anderen Lasten, welche die Bauern für ihre Herren zu leisten hatten, die Bauern erbitterten, kam es da und dort zu Auseinandersetzungen zwischen Herren und Untertanen. Die Fronvögte misshandelten die Bauern oft mit der Peitsche. Der allgemeine Bauernaufstand begann im Frühjahr 1525 unter dem Zeichen des Bundschuhs. Die Bauern rotteten sich in einzelnen Gruppen zusammen und zerstörten verschiedene Burgen, Grafenschlösser und Klöster, denen sie tributpflichtig waren. Die Bauern aber hatten keine einheitliche Führung, und die einzelnen Gruppen waren sich nicht einig. Auch die Bewaffnung war meist ungenügend. Es gab allerdings einige waffengeübte Ritter, welche zu den Bauern hielten wie Florian Geyer, Götz von Berlichingen und andere. Wenn die Bauern ein Schloß oder Kloster eingenommen hatten, plünderten sie es vollständig aus und taten sich an den alkoholischen Getränken gütlich, wobei sie oft viele Tage lang dort verweilten. Einige gingen heim und brachten ihre Beute in Sicherheit. Die Ritter und Grafen aber mit ihren Reisigen strömten zusammen, und ihre Hauptführer, der Truchseß von Waldburg, genannt Bauernjörg, schlug die Bauern in einzelnen Schlachten und Gefechten nacheinander. Auch in unserer Gegend hielten die Bauern zu den aufständischen Gruppen. Im Sommer 1525 belagerten sie Balingen, damals eine mit Mauern befestigte Stadt. Jedoch der Truchseß Georg von Waldburg kam in Eilmärschen mit seinem Heer über Dotternhausen; die Bauern zogen ab. In der Schlacht von Sindelfingen wurden sie vernichtend geschlagen und furchtbar bestraft. Der Bauernstand wurde nach den Aufstand noch mehr geknechtet als zuvor. Erst Anfang des 19.Jahrhunderts, besonders unter König Wilhelm I. und nach den Napoleonischen Kriegen, wurde den Bauern mehr Freiheit und Erleichterung ihrer Lasten gewährt. Es wurde auch die Leibeigenschaft aufgehoben. Erst im Jahre 1848 bis 1852 konnten die Zehntlasten durch Geld abgelöst werden.

Im Lagerbuch der Grafschaft Oberhohenberg aus dem Jahr 1582 steht bei der Erneuerung der Dienste, Fronen und Gefälle für Weilen Folgendes als Einleitung: „Uff den zwölften Tag des Monats May im Fünfzehnhundertzweiundachtzigsten Jahr haben wir vorgenannte Kommission diese Erneuerung zu Weyler im Flecken und was zu demselben gehört, verrichtet, vollendet und zu publiciert und erfunden, wie unterschiedlich hernach folgt in Beysein und persönlicher Gegenwart: Hansen Seyfrids, Vogt Ambrosi Weinmann, Jung Hansen Seyfrids, Konrad Witzen, Mattheis Treer (Dreher), Michael Suntheimer, all Richter zu Weyler, als Gezeugen hierzu erforderlich und berufen und einer ganzen Gemeinde daselbsten. Gez. Lorenz Schweyn, Oberherrschaft Hohenberg, Obervogt von Spaichingen.“ Der Vogt war Ortsvorsteher, die 4 Richter waren die Gemeinderäte, und der Obervogt in Spaichingen war Oberamtmann oder nach dem heutigen Begriff Landrat des Kreises.

Zu allen Zeiten hatten besonders sie Bauern nicht nur unter den Kriegen, sondern auch unter den Streitigkeiten der Grafen und Ritter zu leiden. So wurde oft den Bauern das Vieh und die Pferde vom Sieger weggenommen, von Geld und anderen Gütern ganz zu schweigen. Der Krieg, welcher in ganz Deutschland die größten Schäden an Gut und Blut forderte, war der Dreißigjährige Krieg. Er begann im Herbst 1618 und endete erst im Jahre 1648. Innerhalb von 30 Jahren wurden mehr als 2 Drittel des ganzen deutschen Volkes durch Krieg und Pest vernichtet. Wie viele Opfer an Menschenleben der Dreißigjährige Krieg kostete, geht aus den Aufschrieben der Stadt Rottweil hervor. Vor dem Krieg hatte sie 4 000 steuerbare Einwohner und nachher nur noch 625, also nicht einmal mehr 1/6. Viele Städte und Dörfer wurden damals zerstört; sie wurden später nicht mehr aufgebaut, da die gesamte Einwohnerschaft zugrunde gegangen war. Heute zeugen nur noch Flurnamen von den ehemaligen Orten. Ein ganz nahen Beispiel hierfür ist der Sonthof. Früher stand hier ei Dorf Sontheim, das schon 1222 eine eigene Pfarrei war. Es wurde im Dreißigjährigen Krieg so schwer durch Raub, Totschlag, Plünderung und Feuersbrunst heimgesucht, daß niemand mehr dort wohnen konnte und alles verödete. Lediglich die Michaelskirche blieb stehen; sie fiel 1841 der Spitzhacke zum Opfer.

Wildschweine und Wölfe wurden eine Landplage. Als ein öster-reichischer Soldat, der eine schriftliche Meldung von Balingen nach Villingen zu einem dort liegenden Stab bringen musste, gegen Abend in die Nähe des zerstörten Ortes Sontheim ritt, wurde er von einem großen Rudel Wölfen verfolgt. Obwohl er einige Wölfe mit seiner Pistole erschoss, blieb ihm nicht anderes übrig, als sich auf ein halbzerfallenes Gebäude zu retten. Das Pferd wurde von den hungrigen Bestien zerrissen und aufgefressen. Da dem Reiter die Munition ausgegangen war, wehrte er sich gegen die Wölfe durch werfen mit Ziegeln und Steinen. Doch die hungrigen Wölfe belagerten den Soldaten regelrecht. Die ganze Nacht musste er auf dem Dach verbringen. Erst als am anderen Morgen eine größere Patrouille vorbeigeritten kam und die Hilferufe des bedrängten Soldaten hörte und einige Wölfe erschoss, flüchteten die anderen. Diese Begebenheit zeigt die Zustände und Unsicherheit der damaligen Zeit.

Unser Dorf Weilen scheint nicht direkt in den Kriegsstrudel gekommen zu sein., wenigstens nicht in die Kampfzone. Die ersten 10 Jahre blieb Weilen vom Kriegsgeschehen so ziemlich verschont. Erst im Jahre 1628 nahm das Crozische Regiment hier Quartier nebst anderen Truppen. Die Soldaten mussten nach folgenden Grundätzen verpflegt werden: Einem Rittmeister hatte man wöchentlich 75 Gulden, einem Leutnant 30 Gulden, und einem Wachtmeister 10 Gulden 30 Kreuzer, und einem gewöhnlichen Soldaten 2 Gulden Geld zu geben. Weiter erhielten sie an Naturalien 1,5 Pfund Fleisch und 3 Pfund Brot pro Tag. Für jedes Pferd mussten pro Tag 3 Vierling Hafer und 12 Pfund Heu sowie pro Woche 3 Bund Stroh geliefert werden. Die Gemeinde hatte darauf zu achten, daß die Verpflegung und auch das Geld für die ganze Truppe richtig abgeliefert wurden. Nach den Kaiserlichen kamen die Franzosen.

Am 11. Oktober 1632 rückten württembergische Truppen, von Balingen und Rosenfeld herkommend, in unsere Gegend vor; sie standen am 13 Oktober vor der festen Stadt Rottweil.

Die Schweden hausten zwischen 1634 und 1645 mehrere Male hier. Von ihren Gräueltaten erzählten alte Leute die schrecklichsten Dinge. Im Hause Nr. 42 an der Bohlgasse war noch bis 1840ein Fußboden zu sehen, welcher große Brandlöcher hatte. Die im Jahre 1826 geborene Elisabeth Dieringer und deren Mutter Agatha Seifriz, geboren 1781, erzählten, daß die Schweden in der Stube auf dem Boden ein Feuer angezündet hätten; als ihr Urgroßvater Konrad Seifriz, geboren 1608, dazugekommen sei und versucht habe das Feuer auszulöschen, hätten die Schweden Konrad Seifriz gebunden und furchtbar geschlagen. Auch hätten sie ihm den sogenannten Schwedentrunk verabreicht, der aus Gülle bestand und in den Mund gegossen wurde. Von seinen Angehörigen sei Konrad Seifriz dann in der Nacht befreit und versteckt worden bis zum Abzug der Schweden. Als Andenken an dieses schreckliche Ereignis habe er dann angeordnet, daß der Fußboden mit den Brandlöchern erhalten bleiben solle.

Im Herbst 1643 waren wieder Franzosen in unserer Gegend; sie belagerten die feste Reichsstadt Rottweil und erstürmten sie am 17. November 1643. Dabei wurde der Marschall Guébriant schwer verwundet; ein Geschoss hatte seinen rechten Ellbogen zerschmettert, so daß der Arm abgenommen werden musste. Infolge falscher Behandlung starb dieser Marschall Guébriant. Seine Eingeweide wurden im Chor der Dominikanerkirche beigesetzt und die Leiche nach Frankreich überführt.

1648 endlich wurde der Westfälische Frieden geschlossen, der dem unglücklichen Krieg ein Ende machte. Die deutschen Fürsten hatten gegen den deutschen Kaiser in Wien fremde Heere zu Hilfe gerufen. Außer den Franzosen, Schweden waren noch Spanier und Polen sowie Kroaten als Krieger in Deutschland erschienen, viele kämpften für den Kaiser, andere gegen ihn. Da der Kaiser und auch die Fürsten ihre Krieger und Landsknechte nicht besolden konnten, holten sich die Heerführer und Soldaten selbst ihren Lohn, indem sie plünderten, raubten und sogar mordeten.

3.2 Ein Jahrhundert voller Kriege mit Frankreich

Da Deutschland durch den Dreißigjährigen Krieg geschwächt war und Frankreich weite Gebiete sich aneignen konnte, wuchs der Appetit der Franzosen. So unternahm König Ludwig XIV. von 1681 bis 1694 verschiedene Kriegszüge nach Deutschland. Bereits in den Jahren 1674 bis 1676 waren kriegerische Verwicklungen in Süddeutschland. So lagen damals bayrische und französische Soldaten in Weilen in Quartier. Im Winter 1676 bezog der französische Baron Merce mit seien Reitern in Schörzingen und Weilen das Winterquartier. Schörzingen musste 6 000 Gulden Weilen 4 000 Gulden Kontribution bezahlen. Im Jahre 1743 entstand infolge der kriegerischen Durchmärsche und Einquartierungen eine Viehseuche, die große Opfer forderte. Im Jahre 1744 erpresste der französische General Budian aus der Grafschaft Hohenberg 72 000 Gulden Kontribution. Anno 1771 herrschte ebenfalls eine große Teuerung und Hungersnot.

Wie arm die Gemeinde Weilen war, zeigen die alten Gemeinderechnungen. Durch die Entrümpelung auf dem Rathaus im Jahre 1937 ist sehr viel von altem Schrifttum vernichtet worden. Doch haben der alte Schultheiß Johann Weinmann und auch der Verfasser das Wertvollste aus dem Haufen vor dem Rathaus herausgesucht und im Pfarrhaus sichergestellt. Kirchenrechnungen von 1683 bis 1800 sind dort heute in einem großen Karton aufbewahrt. Die älteste Gemeinderechnung, die noch vorhanden ist, stammt vom Jahre 1803, also aus der Zeit, da wir och zur Grafschaft Oberhohenberg und Österreich zählten. Die Gemeindeeinnahmen betrugen damals 821 Gulden 48 Kreuzer; die Ausgaben beliefen sich auf 855 Gulden 19 Kreuzer. Kriegsschäden weist die Gemeinderechnung von 1809-1810 aus:

GuldenKreuzer
Jahressteuer zu allergnädigsten Herrschaft45935
Kapitalsteuer1038
Militärsteuer für das württembergische Heer9428
Militärsteuer für das französische Heer3911
Brandschadenbeitrag4734
Amtsschaden (Kreisumlage) nach Spaichingen10725
Amtsschaden für Oberhohenberg9552
Oberhohenberger Frongeld438
Zins für eine Kapitalschuld60
Kameralamt Rottenmünster für Maien und Martinisteuer, Hofstattzins,  Maienhühner und Hubenteile1627
Großherzogliche Schaffnerei in Schömberg für Blutzehnten und anderes19
Schullehrer Fidel Weinmann Fixgehalt28
Schullehrer Fidel Weinmann für jeden Werktagsschüler im Sommer je 24 Kreuzer Demselben Lehrer für jeden Werktagsschüler im Winter je 40 Kreuzer; von 39 Schülern erhielt er zusammen4424
Miete für die Schulstube im Jahr12
Für Abhaltung der Sonntagsschule12
Einquartierungskosten70
Gehalt des Schultheißen6
Gesamthöhe der Gemeindeausgaben von Georgi (23.April) 1809 bis Georgi 18101137
20

Es dürfte vielen nicht bekannt sein, daß in früheren Jahren viele Soldaten ihre Frauen im Krieg bei sich hatten. Sie teilten Lager und Quartierleben mit ihren Männern. Aber nicht nur Frauen waren bei den Heeren, sondern auch Kinder. Nachweisbar sind in Weilen 11 Soldatenkinder geboren. Zum Beispiel wurde 1708 dem Soldaten Philipp Matthias vom Regiment des Barons Reischach ein Kind geboren, das Maria Magdalena getauft wurde. 1727 wurden dem belgischen Soldaten Willhelm Ammann von seiner Frau Marie Antonie Wils Zwillinge geboren, welche Dionis und Franz Borgia getauft wurden. 1746 gebar Barbara Horvat ein Mädchen; diese wurde Anna Juliana getauft; ihr Mann war der Soldat Michael Nemet aus dem Regiment des ungarischen Obersten Moschendorf. Ein Mädchen Maria des französischen Soldaten Josef Perre und der Ursula Haarer wurde 1746 getauft. Welcher Wirrwarr diese Soldatenfrauen hervorgerufen haben und was für Ansprüche sie an ihre Quartiergeber gestellt haben, kann man sich gar nicht vorstellen. Diese Frauen waren brutal und streitsüchtig, konnten fluchen und raufen wie ihre Männer und standen ihnen im trinken nicht nach.

Von 1805 bis 1815 gab es hier öfters Einquartierungen von Freund und Fein, was dauernd Belästigungen und Opfer für die Einwohner und die Gemeinde mit sich brachte. Die Gemeinderechnungen von 1813 bis 1816 weisen an Einquartierungskosten und Kriegssteuern allein den Betrag von 5 061 Gulden auf. Es waren österreichische, württembergische und französische Truppen hier im Quartier. Nach der Völkerschlacht bei Leipzig, als Napoleon geschlagen wurde, kamen auch russische Soldaten nach Weilen als Verbündete. Vom 16. Dezember bis 25. Dezember 1813 waren 700 russische Soldaten hier im Quartier, darunter auch ein Major. Da in Weilen damals kein Wein vorhanden war, mussten für die Herren Offiziere Wein, Kerzen, Rettiche, Sellerie und sonstige Lebens und Genussmittel, darunter auch Kaffee und Zucker beschafft werden. Das alles wurde in Schömberg auf Rechnung der Gemeinde Weilen geholt. Vom 7. bis 9. Januar 1814 war russische Artillerie in Weilen im Quartier; wieder mussten Lebensmittel und außergewöhnliche Zutaten gegeben werden. Diese Abteilung erpresste von der Gemeinde den Betrag von 102 Gulden 48 Kreuzer, da sie angeblich nicht gut verpflegt worden sei. Von diesem Betrag erhielt die Gemeinde 50 Gulden von der Amtspflege Spaichingen erstattet. Weiter musste der Schmiedemeister Sebastian Koch und der Schmied von Ratshausen russische Pferde beschlagen, und zwar je 3 Tage lang, sie erhielten dafür von der Gemeinde je 14 Gulden.

Während die russischen Soldaten hier waren, ereignete sich ein Zwischenfall, der in der Folgezeit immer wieder von alten Leuten mit Genugtuung erzählt wurde. Bei dem Schmiedemeister Sebastian Koch, dessen Schmiede heute noch steht und als Garage von Friedrich Seifriz umgebaut ist (Gebäude Nr.55), war ein Schmiedegeselle beschäftigt mit Namen Simon Koch. Er war 1789 in Weilen als Sohn des Josef Koch und seiner Frau Ursula geborene Weinmann geboren und wohnte bei seinen Eltern im Haus Nr. 38 in der Hauptstraße. Als dieser Schmiedegeselle nach Feierabend nach hause wollte und das Kirchgäßchen herabkam, sah er einen russischen Offizier mit seinem Burschen hoch zu Pferd. Der Offizier schlug gerade auf 2 Weilener Bürger mit seiner Reitpeitsche ein, da sie ihn nicht vorschriftsmäßig und ehrerbietig gegrüßt hätten. Auch der Gruß des Schmieds Simon Koch gefiel dem Offizier nicht, da er seine Mütze nicht ordnungsmäßig abgenommen hätte, und er schlug auch mit seiner Peitsche auf den Schmiedegesellen ein. Aber da kam er an den Unrechten; der war ein außergewöhnlich starker Mann von 25 Jahren und zudem unerschrocken und mutig. Er warf den Offizier samt dem Pferd in den Graben neben dem Haus Nr. 33 (Heute Eigentum des Viktor Blepp). Der Wassergraben war bis vor 8 Jahren noch offen. Der Bursche des Offiziers entging dem gleichen Schicksal, indem er mit seinem Pferd die Flucht ergriff und um Hilfe rief. Simon Koch musste schnell verschwinden, weil sofort russische Soldaten, die in der Nähe im Quartier lagen, ihren Landsleuten zu Hilfe kamen. Nur dem Umstand, daß es bereits stark dunkelte, hatte es der Verfolgte zu verdanken, daß er nicht erschossen wurde. Seine Flucht gelang. Er musste sich während des Aufenthaltes der russischen Soldaten versteckt halten; trotz mehrmaliger Kontrolle fanden sie ihn nicht. Es ist weiter bekannt, daß sich verschiedene Einwohner, besonders junge Frauen und Mädchen, während der Anwesenheit der Russen versteckt hielten.

Doch auch bei den anderen Truppen, Österreichern und Württembergern, ging es nicht immer reibungslos ab, wenn sie hier im Quartier lagen. So musste die Gemeinde zum Beispiel für eine österreichische Abteilung 256 Laibe Brot beschaffen, und zwar von der Bäckerei Heinrich Schuler in Balingen, da die Bäckerei hier und die in der Umgegend nicht so viel liefern konnten. Als sich der Abzug der österreichischen Truppen um einige Tage verzögerte, musste neues Brot beschafft werden. Das alte Brot wurde, der Laib um 6 Kreuzer an die Einwohner abgegeben. Die Gemeinde erlitt einen Verlust dadurch, denn bei der Bäckerei Schuler in Balingen hatte ein Laib 7,5 Kreuzer gekostet.

Die Gesamtkriegskosten der Gemeinde Weilen von 1813 und 1814 betrugen 788 Gulden 24 Kreuzer. Auch wurden die Bauern zu Vorspanndiensten für die einquartierten Truppen herangezogen, und zwar nicht nur die Pferdebesitzer, sondern auch die mit Ochsenfuhrwerken. So finden sich in den Gemeinderechnungen Vorspanndienste nach Rottweil, Villingen, Donaueschingen, Dürbheim, Werenwag u. A. Auch Vieh und Schweine mussten geliefert und von einem Weilener Metzger geschlachtet werden. Die Müllerin Marianne Schäfer von Ratshausen erhielt öfters Geld von der Gemeinde Weilen für Mehl, das von dort zum Brotbacken und Kochen für die Soldaten bezogen wurde. Auch einige Rechnungen liegen für Lieferungen von Heu, Öhmd und Stroh für die Pferde der Soldaten. Einige Male mussten auch kranke Soldaten in die Lazarette Spaichingen und Rottweil gebracht werden. Aus dem Jahr 1811 ist u.a. eine Rechnung vorhanden für 3 Tage mit Essen, Bier, Brot usw. mit 1,5 Gulden. Die Gemeinderechnung von Georgi 1813 bis Georg1 1814 betrug nach der Aufstellung des damaligen Rechners (Gemeindepflegers) Konrad Blepp:

EinnahmenGuldenKreuzer
Einnahmen ohne Rest vom Vorjahr54221
Ausstände vom Vorjahr150
Passive Ausstände6631
Passive Kapitalaufnahmen150-
Steuern und Umlagen62111
Blutzehnten-11
Schulbesoldungsersätze von den Bürgern41-
Umgehende Geldumlage313
Feldgüterertrag (Verpachtungen)30-
Biergefälle7-
Pferchgeld (Verpachtung des Schafpferches)63-
Schafweideerlös20019
Gesamteinnahmen1741
57
AusgabenGuldenKreuzer
Staatssteuer71339
Besoldungen5057
Militär-Einquartierungskosten220-
Oberhohenbergsteuer490-
An das Kameralamt Rottenmünster, Steuern857
Für 36 Maien und 36 Herbsthühner je 5 Kreuzer6-
Für 35 Rauchhennen je 10 Kreuzer550
Von 41 Hubenteilen je 1 Kreuzer-41
Hellerzinsen-48
Novalzehnten332
Hohenberger Frongeld438
Taubenschlaggeld-12
Zusammen nach Rottenmünster wurde bezahlt30
38

Hier noch einige Begebenheiten, die in den Gemeinderechnungen vermerkt sind und bezahlt werden mussten: Der Taufstein in der Kirche ist im Jahre 1812 von dem Steinbildhauer Fidelius Koch von Ratshausen gemacht worden; er kostete 10 Gulden und 32 Kreuzer.

In den Jahren von 1812 bis 1815 hatten die württembergischen Gemeinden viel unter Truppendurchzügen und Aushebungen zu leiden. Zuerst waren es die württemberg-badischen und französischen Truppen, die mit Napoleon 1812 gegen Rußland in den Krieg zogen. Als der strenge Winter von 1812 die Franzosen stark dezimierte, verbündeten sich Rußland mit Deutschland gegen Napoleon; die Völkerschlacht bei Leipzig im Oktober 1813 vertrieb das französische Heer vom deutschen Boden; aber es standen noch viele Kämpfe auf französischem Gebiet bevor, bis 1815 Napoleon endgültig besiegt war. Diese vielen Kriege brachten für das gesamte deutsche Gebiet mehr oder weniger viele Einquartierungen und Kriegslasten. Außer den württembergischen Truppen waren im Jahre 1812 bis 1815 auch Franzosen und Russen hier im Quartier. Die französischen und russischen Offiziere sowie auch gewöhnliche Truppenführer verlangten von ihren Quartierleuten Kerzen als Beleuchtung. Für die Offiziere mußten Wein, Bier, Mehl, Brot, Branntwein und Gebrauchsgegenstände in Schömberg geholt werden. Besonders lästig waren die vielen Vorspanndienste und Fahrten für das fremde Heer; es sind viele solcher Fahrten aufgezeichnet, nach Rottweil, Balingen, Ebingen, Donaueschingen, Villingen, Dauchingen und sogar bis nach Meßkirch. Zweimal musste Johann Georg Seifriz nach Werenwag mit Pferden und Wagen fahren, um dort etwas abzuholen. Die Fuhrleute waren oft mehrere Tage unterwegs, und bei den unsicheren Zeiten war das kein Vergnügen.

Die Gefallenen und Vermissten der Napoleonischen Kriege sind in Weilen: Matthäus Blepp, geboren 1764 als Sohn des Johann Blepp und seiner Frau Theresia geborene Linse, gestorben als Soldat in Bunzlau in Böhmen 1800. Johann Koch, geboren 1788 als Sohn des Fidelius Koch und seiner Frau Maria-Ursula Koch; nach Berichten eines überlebenden Kameraden wurde er beim Übergang über die Beresina von Kosaken erschossen. Matthäus Weinmann, geboren 1784 als Sohn des Pantaleon Weinmann und seiner Frau Viktoria geborene Riede, ist anscheinend zwischen Moskau und Beresina gefallen oder erfroren. Franz-Xaver Witz, geboren 1788 als Sohn des Bernhard Witz und seiner Frau Martha geborene Keine, ist verschollen.

Es waren noch mehrere Weilener Einwohner als Soldaten in Rußland, einige nur als Besatzung in Polen. Von zweien ist bekannt, daß sie bis nach Moskau mit Napoleon 1812 gekommen waren, denn diese beiden haben später eine Auszeichnung erhalten. Es waren Anton Stengele, später Schultheiß in Weilen, und Bauer Matthias Koch, der im Haus Nr. 35 gewohnt hat. Die Kriegsverdienstmedaille von Schultheiß Stengele habe ich selber gesehen und auch die Urkunde der Verleihung habe ich gelesen; beide hatte der Bäckermeister Josef Koch, zuletzt in Schonach bei Triberg wohnhaft, in Besitz. Die Auszeichnung von Matthias Koch, genannt Schwarzer Mattheis, hatte einer seiner Söhne in Verwahrung. Matthias Koch musste bis 1819, als er sich verheiratete, Soldat bleiben; er lief bis 1820 in allen Gemeinderegistern als Matthias Koch, Soldat. In den Befreiungskriegen gegen Napoleon haben ebenfalls mehrere Weilener Männer teilgenommen. Nachweisbar in Frankreich gefallen sind: Josef Seng, geboren 1789 als Sohn des Vogtes Klemens Seng, gefallen 1814 bei Troys in Frankreich und Johannes Seifriz, geboren 1794 als Sohn des Wagners Johannes Seifriz und seiner Frau Maria geborene Witz, Soldat beim Fuhrwesen der Infanterie, gestorben an weißer Ruhr 1814 auf dem Weg in ein Pariser Spital.

Das Jahr 1816 war ein vollständiges Hunger- und Mißjahr. Die Ernte reifte infolge des vielen Regens nicht und konnte nicht eingebracht werden; im August fiel bereits wieder Schnee. Die Gemeinde musste für die armen Leute sorgen, und es wurden daher 2mal 3 Wagen ins Oberland geschickt, um dort Hafer, Gerste und Kartoffeln zu holen, was dann an die armen Leute aufgeteilt wurde. Der Staat hatte daher ein Einsehen und erließ der Gemeinde 222 Gulden Staatssteuer. 1816/1817 wurde ein außerordentlicher Holzein-schlag gemacht; der Erlös betrug 76 Gulden 19 Kreuzer. An der Kopfsteuer wurde der Gemeinde in diesem Rechnungsjahr ein Betrag von 48 Gulden nachgelassen.

Durch Napoleon war 1805 die Grafschaft Oberhohenberg und damit Weilen zu Württemberg gekommen. Seither mußten die Gemeinderechnungen einschließlich der Rechnungsbelege zur Prüfung an das Oberamt Spaichingen geschickt werden. Nach erfolgter Prüfung seitens eines Rechnungssachverständigen wurde ein Beamter vom Oberamt in die einzelnen Orte gesandt; hier wurde vor der versammelten Bürgerschaft die Rechnung den Bürgern vorgetragen. Dabei konnte jeder Bürger dem Beamten des Oberamtes seine Klagen vortragen.

Die Gemeinderechnung von 1849/1850 weist in Einnahme und Ausgabe den Betrag von 4 596 Gulden auf. Mit der Zunahme der Bevölkerung stiegen die Einnahmen und auch Ausgaben der Gemeinde. Aber der Boden konnte nicht mehr alle Einwohner ernähren.

3.3 Der Siebziger Krieg und der erste Weltkrieg

Über den Krieg 1866 zwischen den beiden deutschen Staaten Preußen und Österreich ist nicht viel Wesentliches zu berichten; in unserer Gemeinde waren keine Opfer zu beklagen. Der Deutsch-französische Krieg von 1870/71 forderte einen Gefallenen. Soviel ich von alten Leuten erfahren konnte, waren aus Weilen 8 Mann als Soldaten im Krieg:

Konstantin Seifriz, geboren 1845, Sohn von Stanislaus Seifriz, später nach Amerika ausgewandert.

Georg Dieringer, geboren 1845, Sohn von Leonhard Dieringer,  hier verheiratet und 1927 gestorben.

Johannes Koch, Bildhauer, später Professor, geboren 1848,  gestorben 1907 (vgl. Kapitel 6.4).

Anton Weinmann, genannt der Widmann, geboren 1847 als Sohn von Susanna Weinmann, in Amerika 1895 gestorben.

Franz Xaver Koch, Bierbrauer, geboren 1844 als Sohn des Schusters Johannes Koch, in Ravensburg 1880 gestorben.

Johannes Seifriz, geboren 1845, Sohn von Christian Seifriz, 1870 bei Villiers durch Bauchschuss verwundet und 1871 im Lazarett in Chroysi gestorben.

Germann Weinmann, Metzger, geboren 1844 als Sohn von Johannes Weinmann, hier 1914 gestorben.

Christian Reiner, geboren 1841 in Deilingen als Sohn von Josef Reiner und Euphenie Seng von Weilen, verheiratet 1873 in Weilen mit Maria geborene Weinmann und 1913 gestorben.

Der Erste Weltkrieg kündigte sich durch dunkle Gewitterwolken am politischen Himmel an. Am 1. August 1914 erfolgte die Mobilmachung Frankreichs und Deutschlands. Beim Ausbruch des Krieges wurden das deutsche Volk und auch die Weilener Einwohner in größte Erregung versetzt. Einige Leute wurden fast hysterisch; die unglaublichsten Dinge und Gerüchte waren in Umlauf. Besonders gingen Gerüchte über Spione um, welche das Wasser und die Wasserleitungen vergiften, die Brücken und Straßenkreuzungen sprengen würden usw. Nach einer Verordnung im Zuge der Mobilmachung mußten die Straßenkreuzungen und die Wasserbehälter durch Doppelposten bewacht werden, die mit Gewehren bewaffnet waren. Sämtliche Autos und Fußgänger wurden angehalten und kontrolliert. Die Arbeit ruhte vollständig, und es wurden nur noch die dringendsten Arbeiten verrichtet, wie das Füttern des Viehes und sonstige ganz notwendige Verrichtungen. Man sah immer wieder Gruppen von Leuten beisammenstehen, welche ihre Meinungen über die neuesten Gerüchte besprachen. Täglich mußten neue Männer zu den Waffen einrücken. Die Eisenbahn beförderte nur noch Militärtransporte und solche Personen, welche zu den Waffen einberufen wurden. Die Schulen auf dem Lande wurden meist geschlossen, weil die Lehrer zum Teil zu der Wehrmacht einberufen wurden, so auch unser damaliger Hauptlehrer Richard Pfletschinger. Erst im Herbst 1914 kam von Schömberg Lehrer Dürr einige Male in der Woche nach Weilen, um auch hier Schule zu halten. Erst allmählich kehrten wieder normale Zustände ein. Allgemein herrschte die Ansicht, daß der Krieg bis Weihnachten beendet sei, und zwar siegreich, besonders als im Anfang eine Siegesnachricht nach der anderen eintraf. Aber bereits Mitte September, als die Marneschlacht im Westen verloren ging und die deutschen Truppen nach schweren Verlusten zurückgeschlagen wurden, kam der Siegesglaube ins Wanken. Im Frühjahr 1915 erschienen die ersten feindlichen Flieger und warfen Bomben auf die Pulverfabrik in Rottweil ab; in den folgenden Monaten wurden die Bombardierungen immer häufiger und ernster. Bei den ersten Angriffen dieser Flieger glaubten viele Leute, daß die Sprengwölkchen auch Flieger seien, und sie bekamen es mit der Angst zu tun, indem sie glaubten, die vielen Flieger könnten auch auf die Ortschaften Bomben abwerfen.

Am 2. November 1914 begannen die Engländer mit der Hungerblockade, deren Folgen sich in der Ernährung und Kriegsführung in verhängnisvoller Weise bald bemerkbar machten. Mehrere Jahre nach dem Krieg hatte das Volk an Unterernährung zu leiden; die Verluste an Menschenleben infolge der Unterernährung übertrifft die Zahl der Gefallenen 1914 wurde von der deutschen Regierung in Berlin beschlossen, die Zwangswirtschaft der Lebensmittel einzuführen, und 1915 erfolgte die Beschlagnahme der Getreidevorräte; die Lebensmittel wurden rationiert. Es wurde das Kriegsbrot eingeführt, bei älteren Leuten wird dies noch in Erinnerung sein. Es wurden Lebensmittelkarten eingeführt. Die Vorschriften waren notwendig, aber hart, die meisten Bäcker, Müller und auch die Bauern kamen im Verlauf des Krieges mit dem Gesetz in Konflikt. Was aber besonders die Bauern hart traf, das waren die von Zeit zu Zeit stattfindenden Kontrollen und Hausdurchsuchungen nach Mehl, Getreide, Fleisch und Milch. Es fanden Haussuchungen mit Probemelken durch Kommissionen statt. Diese Kommissionen waren erfahren und fanden meistens etwas. In ihnen waren meist Arbeiter aus den Städten vertreten, die auf die Bauern damals nicht gut zu sprechen waren. Mit der Zeit hatten sie gewisse Übung bekommen, Getreide, Speck und sonstige Lebensmittel zu finden. Die Kinder wurden von Landjägern verhört und ausgefragt, wo Vater und Mutter die Sachen versteckt hätten. In einigen Häusern kam es gelegentlich zu Zwischenfällen und Auseinandersetzungen zwischen Bauern und Kommissionen, besonders wenn Urlauber von der Front im Urlaub waren, die zu Anfang des Krieges ihre Gewehre mit heim nehmen durften. Da die Bauern und Landwirte keine größeren Rationen an Brot und Fleisch erhielten, reichten die Nahrungsmittel einfach nicht aus, wenn man den ganzen Tag, oft 12 bis 15 Stunden, im Freien schwer arbeiten musste. Daher gingen immer einige Leute zusammen bei Nacht zur Sägemühle, um dort Mehl gegen Getreide umzutauschen. Es wurden Wachen aufgestellt, denn die Müller hatten ganz scharfe Kontrollen bei Tag und Nacht zu bestehen. Das beschlagnahmte Getreide der ganzen Ernte wurde von der Kommission gewogen und nach Abzug des Saatgutes und des rationierten Eigenverbrauchs aufgeladen und fortgeführt. Die Preise waren so niedrig, daß von einer rentablen Landwirtschaft keine Rede mehr sein konnte.

Die Leute in den Städten litten aber noch mehr Hunger als die Landleute, besonders wenn sie kein Gemüse und keine Kartoffeln in ihren Gärten anbauen konnten. Da die Arbeiter, die in den Munitionsfabriken arbeiteten, zum Teil viel Geld verdienten und da andererseits um Geld immer noch Lebensmittel zu kaufen waren, setzte eine Hamsterei ein. Die Stadtleute kamen in Scharen aufs Land, um sich hier Lebensmittel zu erwerben. Ersatzstoffe waren wie im Zweiten Weltkrieg Holz und Brennnesseln; sie hielten sich nicht lange. Der Winter 1916 auf 1917 wurde Kohlrabenwinter genant, die Kartoffelernte 1916 war wegen ungünstiger Witterung schlecht ausgefallen. Die Brotrationen, die im Winter noch auf täglich 225 Gramm waren, wurden auf 200 Gramm herabgesetzt, im Jahre 1918 auf 160 Gramm, und zuletzt auf 135 Gramm. Diese kleinen Rationen konnten selbstverständlich niemals ausreichen, und wer sich nicht zusätzlich versorgen konnte, starb an Unterernährung und erlitt den Hungertod.

Unter diesen Umständen war das Volk froh, als am 9. November 1918 Waffenstillstand eintrat und 1919 Frieden geschlossen wurde. Die Bedingungen waren allerdings sehr hart, die dem deutschen Volk auferlegt wurden. Da die Regierung den Krieg noch zeitig abgebrochen hatte, wurde dem deutschen Volk eine Besetzung erspart, wie wir sie 1945 erlebten.Die Kirchenglocken hätten im Jahr 1917 abgeliefert werden sollen, wurden aber wegen ihres hohen Alters wieder freigegeben. Im Verlaufe der Monate November und Dezember 1918 kehrten die meisten Soldaten wieder in ihre Heimat zurück. Diejenigen, die in Gefangenschaft oder noch als Verwundete in Lazaretten lagen, kehrten erst später zurück. Am 26. Januar 1919 veranstalteten bürgerliche Gemeinde und Kirchengemeinde zusammen eine Begrüßungsfeier. Vormittags um 9 Uhr war gemeinsamer Kirchgang vom Rathaus aus. Alle Kriegsteilnehmer waren in Feldgrau erschienen. Voraus wurde die Fahne des Kriegervereins getragen, und nach den Kriegsteilnehmern marschierten der Schultheiß und die Gemeinderäte und zum Schluss dann die sonstigen Gemeindeangehörigen. Die Kirche war festlich geschmückt und von dem Maler Ulrich Koch mit sinnvollen Innschriften versehen. Pfarrer Stehle hielt eine zu Herzen gehende Predigt mit Begrüßungsworten an die heimgekehrten Soldaten. Mittags gab es auf Kosten der Gemeinde ein Festessen im Gasthaus zum Kreuz für alle ehemaligen Kriegsteilnehmer. Abends war noch geselliges Beisammensein im Kreuz, wobei verschiedene Ansprachen gehalten wurden. Im Namen der Soldaten bedankte sich Georg Seifriz. Ein Kriegerdenkmal wurde zuerst in der Kirche auf der Männerseite angebracht. Später wurde eine Kriegergedächtniskapelle auf dem Friedhof erbaut.

Im Ersten Weltkrieg hatte die kleine Gemeinde Weilen 7 Gefallene zu beklagen. Ihre Namen sind:

Johann Butz, geboren 1892 als Sohn von Elisabeth Butz, bei Ypern 1915 vermisst, wahrscheinlich von einer schweren Granate verschüttet und getötet.

Heinrich Dieringer, getroffen von einer Gewehrkugel 1914 bei Seichprei/Toule.

Gebhard Dieringer (Bruder von Heinrich Dieringer), geboren 1896 als Sohn des Straßenwarts Georg Dieringer, gefallen 1917 in Flandern, begraben auf dem Soldatenfriedhof St. Josef in Flandern.

Johann Narr, geboren 1878 als Sohn von Matthäus Narr, gefallen 1917 bei La Bassée, begraben auf dem Soldatenfriedhof Salome bei La Bassée.

Matthäus Seifriz, geboren 1896 als Sohn von Meinrad Seifriz und Maria, geborene Koch. Gefallen 1917 bei Pelves vor Arras durch einen Granatsplitter am Kopf und durch Verschüttung,begraben ist er auf dem Friedhof zu Vitry im Artis, Grab Nr. 298.

Gustav Weinmann, Hauptlehrer, geboren 1880 als Sohn von Josef Weinmann und Theresia geborene Koch, gefallen 1917 auf  Nachtpatrouille im Houthulster Wald in Flandern, begraben auf dem Friedhof St. Josef in Flandern (wie Gebhard Dieringer).

Wilhelm Karl Weinmann, geboren 1898 als Sohn von Jordan Weinmann und Sofie geborene Blepp, 1918 am Kopf schwer verwundet und in einem Lazarett in Belgien gestorben.

Die Gemeinde Weilen ist mit diesen 7 Gefallenen noch verhältnismäßig gut weggekommen; Schörzingen hatte 32 Gefallene. Kriegsteilnehmer waren außer diesen7 Gefallenen 61 Männer und Jünglinge aus Weilen. Von diesen 61 waren zwar nicht alle in Weilen wohnhaft, aber sie waren hier geboren und hatten Eltern und Geschwister hier. Von den Frontsoldaten gerieten im Verlauf des Krieges 5 Mann in Kriegsgefangenschaft. Über die Hälfte wurde verwundet, einige sogar mehrere Male.

Nach dem Krieg kam es zu Inflation; sie hatte sich schon am Ende des Krieges bemerkbar gemacht. Sie dauerte bis November 1923. Eine Goldmark neuer Währung hatte einen Wert von 1 Billion Reichsmark. Der Verlauf der Inflation und deren Auswirkungen sind noch allgemein bekannt.

3.4 Die achtzehn Opfer des Zweiten Weltkrieges

Erst zwanzig Jahre waren seit Ende des Ersten Weltkrieges vergangen. Man sollte meinen, daß die Völker noch übergenug von Krieg und Kriegsgeschrei hätte, da brach am 1. September 1939 ein noch fürchterlicher Krieg aus als der Erste Weltkrieg. Der Zweite Weltkrieg dauerte bis Mai 1945, also über 5 Jahre lang. Er endete mit der Besetzung von ganz Deutschland durch die Sieger. Das einst so mächtige und große Deutschland ist heute geteilt und durch große Gebietsverluste im Osten nur noch ein Schatten seiner ehemaligen Größe. Alle diese Tatsachen sind bekannt. Ich möchte hier das niederschreiben, was Weilen selber betroffen hat. Von einer Begeisterung wie zu Anfang des Ersten Weltkrieges konnte nur wenig bemerkt werden. Vereinzelte Hitleranhänger glaubten, daß dieser Krieg für das deutsche Volk zur Erhaltung und Erweiterung des „Lebensraumes“ notwendig sei. Als Norwegen und später auch Frankreich geschlagen waren, glaubten schon viele an einen Endsieg und baldigen Frieden. Aber als 1941 auch der Krieg gegen das große Rußland und damit ein Zweifrontenkrieg begann, sahen viele Leute, daß ein Sieg, wenn er überhaupt möglich war, nur unter schweren Opfern und langen Kämpfen noch zu erreichen sei. Als dann die ersten Verluste und die Meldung von Gefallenen hier eingingen und diese sich häuften, sank der Siegesrausch. Von Weilen waren auch 2 Soldaten bei der eingeschlossenen Stalingrader Armee. Karl Reiner und der verheiratete Alfons Seifriz schrieben anfangs Januar 1943 zum letzten Mal aus dem Kessel von Stalingrad; seither sind sie vermisst. Immer mehr Verlustmeldungen kamen hier an. Die Glocken mußten schon im März 1942 abgeliefert werden.

Die deutsche Armee ging an allen Fronten zurück. Die feindlichen Flugzeuge warfen die Städte nach und nach zusammen. Beim Fliegerangriff auf Stuttgart sind die meisten Weilener aufgestanden, weil die Fenster klirrten und die Türen vibrierten, vom Luftdruck gerüttelt. Immer mehr Männer wurden zum Waffendienst eingezogen. Viele Leute, welche damals schon Rundfunkempfänger hatten, hörten fremde Sender, besonders den Schweizer Sender Beromünster. Da konnten sie erfahren, wie die eigentliche Kriegslage war. Vom Frühjahr 1945 an griffen feindliche Flieger auch die Städte Ebingen und Balingen sowie das Zementwerk Dotternhausen an. Auf dem Feld zu arbeiten war oft gefährlich, weil bei hellem Wetter Flieger, sogenannte Jabos, heranbrausten, um irgendein Ziel anzugreifen, Landwirte auf den Feldern und Fuhrwerke auf den Straßen. Von April an hörte man Geschützfeuer aus der Gegend von Freudenstadt; das Kanonengedonner kam immer näher. Unser Dorf war durch die Fliegerangriffe auf Stuttgart, Pforzheim, Karlsruhe und Freiburg von Einwohnern überbelegt; denn die gebürtigen Weilener aus diesen Städten suchten Zuflucht hier. Außerdem waren noch 60 Estländer in Weilen, die bei den Ölschieferwerken in Schömberg und Umgebung in Arbeit standen. Von Oktober 1944 bis Ende 1945 musste ich über 520 Personen mit Lebensmittelkarten und sonstigen Bezugsscheinen versorgen. Die Verpflegungssätze waren höher als im Ersten Weltkrieg; dennoch reichten die zugeteilten Rationen nicht aus, um alle Menschen genügend zu ernähren. Eine Hamsterei setzte ein wie im Ersten Weltkrieg. Für Geld konnte man nicht viel bekommen. Lebensmittel wurden gegen andere Waren eingetauscht. Dieser Zustand hielt auch nach dem Krieg bis zur Währungsreform im Jahre 1948 an.

Von den 11 Gefallenen der Gemeinde Weilen im Zweiten Weltkrieg sind 7 an der Ostfront und 2 in Italien gefallen. Weitere 2 mußten in Deutschland selber am Ende der Kämpfe ihr Leben lassen. Im folgenden werden die Namen der 11 Gefallenen der Gemeinde Weilen aufgeführt:

Hermann Stauß, geboren 1909 als Sohn von Josef Stauß und Theresia geborene Seifriz, gefallen bzw. Gestorben 1941 in Minsk.

Lorenz Stauß (Bruder von Hermann Stauß), geboren 1922, gefallen 1942 bei Leningrad durch einen Kopfschuss.

Josef Seifriz, geboren 1916 als Sohn von Lorenz Seifriz und Emilie geborene Reiner, gefallen 1943 bei Leonowa in Rußland.

Alfons Seifriz (Bruder von Josef Seifriz) geboren 1920, gefallen 1943 bei Kowalenko im Kaukasus.

Alfons Weinmann, Lehrer, geboren 1902 als Sohn von Josef Weinmann, Waldhornwirt, und Helene geborene Koch, gefallen 1944 in Italien.

Guido Weinmann, geboren 1924 als Sohn von Johannes Weinmann,Gemeindepfleger, und Walburga geborene Seifriz, gefallen 1943 in Italien, begraben in Livorno in Sizilien.

Franz Koch (Bruder von Julius und Oskar Koch), geboren 1914 in Weilen als Sohn von Konrad Koch, Gipser, und Anna geborene  Krachenfels, gefallen 1943 in Rußland.

Johannes Seifriz, geboren 1915 als Sohn von Jakob Seifriz und Anna geborene Dannecker, gefallen durch Granatsplitter 1941 bei Kremetschung in Rußland.

Konstantin Seifriz, geboren 1911 als Sohn von Leo Seifriz und Frieda geborene Weinmann, gefallen durch Granatsplitter 1942 bei Novorosik in Rußland.

Anton Stauß, geboren 1912 als Sohn von Amand Stauß und Theresia geborene Sayle, gefallen 1945 in Neckargartach.

Georg Burry, geboren 1923 als Sohn von Franz Burry und Amalie geborene Blepp, gefallen 1945 bei Waake (Kreis Göttingen) in Niedersachsen.

Von den 7 Vermissten der Gemeinde Weilen sind alle im Osten geblieben, und zwar 6 in Rußland und Ostpreußen sowie 1 in Rumänien:

Hugo Eckenweber, geboren 1917 als Sohn von Paul Eckenweber und Emma geborene Seifriz, vermisst seit 1941 in Rußland.

Karl Reiner, geboren 1921 als Sohn von Josef Reiner und Magdalena geborene Seifriz, vermisst seit 1943 in Stalingrad.

Alfons Seifriz, geboren 1903 als Sohn von Jordan Seifriz und Maria geborene Koch, vermisst seit 1943 in Stalingrad.

Julius Koch (Bruder von Julius und Oskar Koch), geboren1913in Triberg als Sohn von Konrad Koch, Gipser, und Anna geborene  Krachenfels, beide von Weilen, vermisst sei 1944 bei Wittewsk in Rußland.

Oskar Koch (Bruder von Julius und Oskar Koch), geboren 1925 in Triberg als Sohn von Konrad Koch, Gipser, und Anna geborene Krachenfels, vermisst 1945 bei Graudenz.

Mamertus Wiehl, geboren 1914 in Schwenningen als Sohn von Karl Anton Wiehl, Metzger, und Anna geborene Krachenfels, vermisst 1944 in Rumänien.

Oskar Seifriz, geboren1923 als Sohn von Jakob Seifriz und Anna geborene Dannecker, vermisst 1945 in Ostpreußen.

3.5 Die letzten Tage des Tausendjährigen Reiches

Von Anfang April 1945 war klar zu sehen, daß der Krieg verloren war und daß es nur noch Tage oder höchstens einen Monat dauern konnte, bis er endgültig zu Ende ging. Der Geschützdonner kam immer näher, und die Flieger wurden bei hellem Wetter eine Gefahr für alle. Die KZ-Häftlinge der Ölschieferwerke Schörzingen, Schömberg und Umgebung marschierten am Abend und in der Nacht durch unseren Ort. Sie zogen Karren mit Lebensmitteln und Ausrüstungsstücken mit. Die Begleitmannschaften und Leiter der Lager trieben sie mit Peitschen und Stöcken an wie Zugtiere. Viele Einwohner von Weilen steckten den Häftlingen Brot, Kartoffeln und andere Lebensmittel zu, besonders einer Kolonne, die auf der Höhe der Angelstraße für etwa 20 Minuten Halt machte. Während dieser Rast versuchte ein Häftling zu entfliehen, indem er sich in einem Beerengärtlein verkroch. Als vor dem Weitermarsch eine Kontrolle den Fehlenden bemerkte, suchte man ihn mit großen Bluthunden. Man hat ihn auch gefunden. Der Gefangene war ein polnischer katholischer Pfarrer. Er wurde so zusammengeschlagen, daß er nicht mehr stehen konnte. Er versuchte zunächst, sich auf Händen und Knien fortzubewegen und wurde dann auf einen Karren geworfen, als er nicht mehr weiterkam. Die Wachmannschaften sagten zu ihm, sie würden ihn nachher erschießen, wenn er nicht mehr mitkomme. Als einige Leute für den Gefangenen baten, wurden auch sie mit Erschießen bedroht.

Am 17. April 1945 wurden die männlichen Einwohner von Volks-sturmführern zusammengerufen. Es mußten durch Fällen von Bäumen und Tannen an der Straße von Schömberg nach Weilen im Wald Withau und an der Wochenbergstrasse Panzersperren errichtet werden. Die Straße wurde vorerst nur beengt und sollte dann später, wenn der Feind näher kam, vollends zugeworfen werden. Am 20. April gegen Abend zogen deutsche Soldaten etwa 2 Stunden lang durch Weilen, viele davon waren bereits ohne Waffen. Einige Kompanien kamen durch den Wald Withau direkt übers Breitenried. Feindliche Flieger verfolgten die Soldaten und feuerten mit Bordwaffen auf sie, so daß sie sich hinwarfen oder auf die Flieger in Deckung des Beitenriedgrabens das Feuer erwiderten. Um 5 Uhr abends hatten bereits die Franzosen, etwa 1 000 an der Zahl, die Stadt Schömberg besetzt. Sie kamen von Westen her, blieben im Quartier in Schömberg und zogen erst am 21. April etwa 8 Uhr morgens weiter über Weilen in Richtung Deilingen. Etwa um ¾ 8 Uhr kamen 2 SS-Offiziere auf das Rathaus in Weilen und verlangten sofort alle verfügbaren Leute mit Sägen und Äxten, sie sollten im Withau die Panzersperre schließen. Ich sagte ihnen, daß dies ein Unsinn sei, denn die Panzer würden nicht aufgehalten dadurch, sie könnten über den Reutebühl ungehindert nach Weilen kommen. Ich weigerte mich ganz entschieden, diesem Befehl folge zu leisten, denn ich hatte von Stadtpfarrer Lackner aus Schömberg telephonisch die Nachricht erhalten, daß mindestens 1 000 Franzosen mit etwa 80 Panzern und Kanonen in Schömberg wären; sie hätten um 8 Uhr Feldgottesdienst gehalten und seien jetzt zum Weitermarsch gerüstet. Die beiden SS-Offiziere sagten, daß der ganze Albrand von einer deutschen Armee besetzt wäre, die den Feind in einigen Stunden vernichtet würde. Ich glaubte die nicht und weigerte mich weiterhin, den Befehlen nachzukommen. Daraufhin zogen sie ihre Pistolen und sagten, daß sie mich erschießen müssten laut höherem Befehl. Da die Telephonverbindung inzwischen abgeschnitten wurde, konnte ich mit Schömberg keine Verbindung mehr bekommen. Ich ging nun vor das Rathaus, wo inzwischen der Lärm viele Leute angelockt hatte, und sagte den Leuten, daß die beiden Offiziere verlangten, daß die Weilener Einwohner eine Panzersperre zu machen hätten, daß die Franzosen jeden Augenblick kommen würden, um alle zu erschießen, die sie am Weitermarsch hindern, und daß dann auch der Ort zusammengeschossen würde. Die Leute flohen und versteckten sich; die beiden Offiziere suchten sie, um sie zu zwingen, den Befehlen nachzukommen. In der Not wollte ich durch den Withau nach Schömberg gehen. Aber als ich in der Nähe des Friedhofes kam, hörte ich die französischen Panzer bereits oben am Withau heranrasseln. Sie eröffneten Maschinengewehrfeuer auf Weilen und fuhren langsam dem Orte zu. Da ich in meiner Wohnung eine weiße Fahne bereithielt, rannte ich vom Rathaus in Richtung meines Hauses. Doch standen bereits die Panzer am Angelbühl und schossen so stark, daß mir von einigen Aufschlägen der Dreck der Straße ins Gesicht spritzte. Ich rannte zurück, zog am Waldhorneck ein weißes Taschentuch und winkte, worauf das Feuer sofort eingestellt wurde. Es war kein Mensch auf der Straße zu sehen. Die ersten Panzerbesatzungen hielten und fragten ob der Ort von deutschen Soldaten besetzt sei, was ich verneinte. Darauf fuhren sie ohne Behinderung weiter Richtung Deilingen. Es waren mindestens 80 Panzer und eine große Anzahl von Panzerwagen, Geschützen und Lastwagen mit französischem Militär.

Die Franzosen haben sich gegen die Zivilbevölkerung vorbildlich verhalten. Es gab überhaupt keine Zwischenfälle oder Belästigungen von Zivilpersonen. Etwa 2 Stunden lang dauerte der Durchmarsch. In dieser Zeit war es unmöglich die Straße zu überqueren. Erst am Mittag nahm die Dichte des Durchmarsches ab, es kamen nur noch vereinzelte Fahrzeuge, wie Lastwagen und Munitionskolonnen. Wie friedlich der Nachschub war, zeigt folgende Begebenheit: Die damals 80 jährige Witwe Elisabeth Weinmann geborene Butz backte nachmittags im Backhäusle und war mit ihrem Wägelchen auf dem Heimweg, als am Angelbühl auf der Höhe von Gebäude Nr. 12 eine Kolonne französischer Lastwagen mit Munition nahte. Da Witwe Weinmann auf der Straßenmitte fuhr und die Übersicht erst auf etwa 20 Meter Entfernung möglich war, riß der vorderste Lastwagenfahrer das Steuer schnell nach links, um die Frau nicht zu überfahren; dabei prallte der Lastwagen auf einen Telphonmasten auf, überschlug sich, und die ganze Ladung wurde auf meine Hoffläche geworfen, wo zum Glück ein Reisighaufen lag. Auch der Fahrer und die 3 Beifahrer wurden in den Reisighaufen herausgeworfen. Die Franzosen gingen zu der Frau hin und sagten zu ihr: „Du Frau, warum du Mitte Straße gelaufen, und nicht auf der Seite?“ Darauf Witwe Weinmann geborene Butz: „Ich bin doch do dena gfahra und bin it schuldig.“ Die Soldaten lachten und da ihnen nicht viel passiert war, stellten sie den Lastwagen mit Hilfe der Besatzung wieder auf und reparierten ihn notdürftig. Nach einer halben Stunde konnten sie wieder weiterfahren. Der Wagen war aber schwer beschädigt und musste in eine Reparaturwerkstätte gebracht werden. Als wir den Reisighaufen später aufarbeiteten, fanden wir mehrere hundert Patronen und überschwere Munition für Maschinengewehre, die ich ablieferte. Die Straße nach Deilingen war von den Panzerketten ganz aufgewühlt, sie glich einem Acker, besonders in den Kurven. Es dürfte noch gefragt werden, wohin die beiden SS-Offiziere nach dem schnellen Einmarsch der Franzosen gekommen sind. Sie verschwanden hinter den Häusern, versteckten sich und flohen später am Weilerbach entlang in Richtung Ratshausen. Der Nachbarort wurde nämlich erst 3 Tage später besetzt.

3.6 Von Tschechen, Polen und Franzosen besetzt

Nach dem Krieg waren hier vorerst 6 Zivilfranzosen als Besatzung; Sie waren mit Gewehr und Pistolen bewaffnet. Bis zu ihrem Abzug am 20. Mai 1945 herrschte hier Ruhe und Ordnung. Von abends 9 Uhr bis morgens um 5 Uhr war Sperrfrist; es durfte niemand auf der Straße sein. Es waren zweimal Zivilpersonen im Rathaus eingesperrt, da sie nach der Sperrzeit im Freien angetroffen wurde. Nach dem Wegzug der 6 Zivilfranzosen gab es zunächst keine Besatzung hier; erst im Juli wurden 2 Tschechen eingesetzt; sie hatten aber von den Franzosen und Polen Angst und schritten bei Plünderungen und Requisitionen nicht ein. In den Lagern der Ölschieferwerke war nämlich nach dem Einmarsch der Franzosen einigen hundert ehemaligen Häftlingen Unterkunft gewährt worden, die vorerst von den umliegenden Ortschaften verpflegt werden mußten. So musste Weilen 350 Laibe Brot, 12 Zentner Fleisch und Fett, Mehl, Kar-toffeln und sonstige Lebensmittel liefern, auch 3 Tage lang täglich 50 Liter Vollmilch. Später wurden diese Ausländer von der UNRA verpflegt.

Im Lager Dautmergen wurden deutsche Soldaten als Gefangene gehalten; auch für sie wurden später Kleider und sonstiger Bedarf gesammelt. In den umliegenden Orten wie Schömberg, Schörzingen, Dotternhausen usw. waren französische Truppen einquartiert. Da in Weilen keine Franzosen waren, versuchten diese immer wieder, hier zu requirieren. Besonders auf Eier, Geflügel, Kälber und Schweine hatten sie es abgesehen. In der ersten Zeit drangen sie einfach in die Häuser ein und holten sich, was sie wollten und fanden. Nicht nur Lebensmittel wurden geraubt, sondern auch Uhren, Ringe und sonstiger Hausrat. Ein ganz besonders gefährlicher Tag war der 24. April 1945. Am Nachmittag etwa um 13.50 Uhr zog eine französische Nachschubkolonne von Schömberg herkommend hier in Richtung Deilingen durch. Es waren 6 Lastwagen, welche mit Planen abgedeckt waren. Als die Kolonne im Juchtewald war, sahen die Franzosen, wie einige deutsche Soldaten gegen den Mittelbach sprangen. Es war ein versprengter Trupp, der sich auf dem Weg in die Heimat befand; in den Wäldern konnte man öfters einzelne Soldaten oder kleinere Trupps sehen, die nach Hause wollten.3 Soldaten kehrten im Wald um, als sie die Franzosen sahen. Diese eröffneten sofort das Feuer auf die Deutschen, die das Feuer erwiderten, über das Feld Hürsten dem Ort Weilen zusprangen und sich in einem Haus versteckten. Die ganze französische Kolonne kehrte um und durchsuchte alle Häuser, fand aber die 3 deutschen Soldaten nicht; diese verzogen sich nach Einbruch der Dunkelheit. Da die Franzosen meinten, die Einwohner steckten mit den Soldaten unter einer Decke, wurden 3 Männer von hier verhaftet und sollten nach dem Verhör erschossen werden. Durch die Fürsprache von Pater Hilarion und von 2 barmherzigen Schwestern gelang es, die 3 Männer wieder freizubekommen. In den ersten Nächten nach dem Einmarsch der Franzosen suchten immer wieder deutsche Soldaten Unterkunft und Verpflegung in den Häusern. Das aber war streng verboten. Die armen Männer waren oft so erschöpft, daß sie dringender Pflege bedurften und es wurde ihnen doch ab und zu geholfen. Eines Abends nach Eintritt der Dunkelheit klopfte bei uns ein junger abgehärmter Soldat an. Er konnte fast nicht mehr gehen; seine Schuhe waren zerrissen, und seine Füße waren ganz wund und voll mit Blasen. Wir pflegten ihn 4 Tage lang; ich besorgte ihm Zivilkleider und Schuhe. Er war in der Gegend von Oberndorf zu Hause; er hat mir später geschrieben, daß er gut heimgekommen sei.

In der Zeit vom 22. Mai bis 20. Oktober mußten 70 Polen eine Woche lang von den Einwohnern der Gemeinde verpflegt werden; später übernahm dann ebenfalls die UNRA ihre Verpflegung. Diese Polen waren in der Hauptsache einzelnen Landwirtschaftlichen Betrieben im Oberland als Arbeitskräfte zugeteilt worden; sie wurden in Sammellagern zusammengezogen. In den Lagern von Schömberg lebten über 300 Polen bis zum Herbst 1945. Vom September ab wurden sie in Sammeltransporten in ihre Heimat Polen zurückgeführt. Auch die anderen Lage wie in Erzingen wurden aufgelöst.

Ein Lager muß noch besonders erwähnt werden, das Häftlingslager in Dotternhausen. Dort hatten sich Tschechen, Franzosen und auch Deutsche zusammengetan und marterten und prügelten deutsche Männer und Frauen auf bestialische Weise zu Tode. Als erster Anführer dieses Lagers fungierte ein „Oberleutnant“ Delétere; er war aber gar kein Offizier, sondern ein elsässischer Fremdarbeiter. Nach einigen Wochen wurde er von der französischen Militärregierung verhaftet und abgeurteilt. Der grausame und berüchtigte Mörder dieses Lagers aber war der Tscheche Milan; er hat einige Deutsche totgeschlagen oder erschossen. Auch in Weilen war er einige Male und hat Männer und Frauen halb totgeschlagen. Eine Frau wurde mehrere Tage im Dotternhäuser Lager gefangen gehalten und täglich misshandelt, nur weil sie sich abfällig über die Methoden der Lagerhalter geäußert hatte. Ein Deutscher mit Namen Helmer Sandmann kam öfters nach hier und sagte, daß er im Auf-trag der Lagerhaltung Lebensmittel und sonstige Gebrauchsgegenstände beschlagnahmen müsse; wenn sie nicht freiwillig gegeben würden, kämen die Tschechen und würden noch viel mehr holen. Eine gute Tat hat Kommandant Delétere den Weilenern erwiesen, als die Polen anfangs hier wohnten und frech und gewalttätig wurden, weil sie angeblich kein gutes Essen bekämen und nicht gut untergebracht seien. As die Frauen ihnen das Essen brachten, bezeichneten sie es als Saufraß, und manchmal schütteten sie ihnen das ganze Essen ins Gesicht. Den Landjäger Rösch von Schömberg sowie den Landjäger Walter haben sie geschlagen; diese konnten sich nicht wehren, weil sie keine Waffen tragen durften, sondern haben sie nur ermahnt, daß sie sich doch einigermaßen menschlich benehmen sollten. Auch ich erhielt von ihnen einen Schlag ins Gesicht. Am anderen Morgen ging ich zu Fuß nach Dotternhausen und brachte dem Leutnant Delétere meine Klage vor. Er ordnete dann sofort an, daß eine Abteilung Tschechen mit ihm nach Weilen gehe, um die Polen zu bestrafen. Sofort kamen 20 Mann bewaffnet mit Gewehren und Pistolen auf einigen Motorfahrzeugen nach Weilen. Die Polen mußten alle antreten,und der Leutnant sagte: „Wenn ich nochmals die geringste Klage von Weilen höre, daß sie irgend jemand misshandeln oder schlagen oder rauben, dann werde ich einige erschießen lassen.“ Diejenigen, die Misshandlungen begangen hatten, wollte er töten lassen. Sie waren bereits am Rathaus zur Exekution aufgestellt. Auf meine Bitte hin sah Leutnant Delétere von einer Erschießung ab, aber die Tschechen haben einige durchgeprügelt. Von da ab herrschte Ruhe, und die Polen benahmen sich anständiger. Auch zogen dann mehrere in die Lager nach Schömberg ab. Wie bereits berichtet, fuhren die letzten im Herbst 1945 von hier ab. Während ihres Aufenthaltes haben hier 3 Paare geheiratet, und zwar standesamtlich und kirchlich.

Im Herbst 145 normalisierte sich allmählich das Leben. Die Post ging wieder, ebenso der Zugverkehr. Im Verlauf des Sommers und Herbstes kamen mehrere Soldaten wieder in die Heimat zurück, mehrere aus amerikanischer und englischer Kriegsgefangenschaft. Die Franzosen behielten ihre Gefangenen am längsten, ja sie holten sogar einige, die bereits entlassen waren, wieder nach Frankreich als Gefangene zurück. Aus russischer Gefangenschaft sind nur ganz wenige zurückgekehrt.

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