Ortschronik

Ortschronik

Ortschronik von Weilen unter den Rinnen

Das Ortsbuch unserer Gemeinde


Vorzeit



1.1   Die Entstehung der Landschaft unserer Gegend



Im Süden der trichterförmigen Bucht, die die Schlichem bei ihrem Austritt aus dem Gebirge geschaffen hat, liegt eingerahmt von bewaldeten Höhen das Dörfchen Weilen unter den Rinnen (707 m). Die umrahmenden Gestalten von Plettenberg und Ortenberg, von Wochenberg und Oberhohenberg machen dieses Fleckchen Erde zu einem landschaftlichen Glanzpunkt. Der Plettenberg bietet einen reizenden Blick auf das amphitheatralisch gelegene Dörflein, in mitten dem frischen Grün der Wiesen und den heimelig zwischen Obstwäldern versteckten Häusern. Am herrlichsten ist der Blick in das lachende, reich bewässerte Tal, wenn im Mai die Kernobstgewächse im Blütenschnee prangen.

Wie ist nun dieser eigenartige Sufenrandtrichter, die weitgeöffnete Pforte der Schlichem entstanden? Die malerische Bucht von Weilen gehört dem unteren und mittleren Braunjura an, den MittelbachWeilenbachBrandbächle und ihre Verästelungen stark zerfurcht und zerlappt haben. In den schweren schiefrigen Tonen zeugen Wundstellen der Pflanzendecke und Rutschungen (Gansloch usw.) von frischer Arbeit des rinnenden Wassers.

Weilen steht trotz seiner Kleinheit auf der Landkarte (1:900 000) verzeichnet



Die Quellen des Mittelbachs treten unter den harten Kalken (Blaukalk) über den undurchlässigen Tonen aus. Die Blaukalke schützen zwar die weichen Tone vor rascher Zerstörung; doch der Unterwühlung durch austretende Quellen und durch Verwitterung fallen sie selbst zum Opfer. Hier sind daher tiefe Kerben unterhalb Deilingen in die Kalksteintafel eingeschnitten, die dazwischen in mehreren Spornen vorspringt (Eck, Burgstall Heidenschlößle und Rennen). 100 m Gefälle auf 1 km im Oberlauf verursachen die Zerstörung. Steigen wir aber durch das unübersichtliche Waldgebiet nach Deilingen (826 m) empor, so sind wir in einem ganz anderen Reich: Ein über 1 km breites Hochtal mit flacher Sohle senkt sich fast unmerklich nach Süden gegen Wehingen (717 m). Von junger Zerstörungsarbeit keine Spur mehr! Ein winziges Bächlein mit geringem Gefälle (18 m auf 1 km) schleicht müde zur unteren Bära. Annähernd 3 km sind Oberhohenberg und Deilinger Berg voneinander entfernt, und rund 200 m tief ist die breite, teils versumpfte Talsohle eingesenkt. Wie kann ein so kümmerliches Rinnsal diese große Lücke geschaffen haben? Dazu gehört eigentlich ein großer Bach von mehreren Stunden Länge. Wo aber sein Oberlauf zu suchen wäre guckt der blaue Himmel herein. Von Deilingen, von dessen Rathaus die eine Dachtrauf zur Bära (Donau) und die andere zur Schlichem (Rhein) entwässert, hat man einen prächtigen Blick hinaus in das fruchtbare Albvorland.


Kehren wir wieder zurück in das tief eingeschnittene Schlichemtal. Bei jedem Hochwasser (1895 besonders gefährlich) wälzen die Schlichem und ihre Nebenbäche mit ihren trüben Fluten beträchtliche Erdmassen zu Tal. Von Plettenberg und Ortenberg ziehen mächtige Schuttströme in die Talpforte bis in das Tal hinunter. Hier sind, bedingt durch die jugendliche Unterschneidung der Hänge in jüngererZeit größere Bergrutsche erfolgt, so am Ortenberg zwei kleinere 1744 und 1787; ein sehr starker Erdmassenrutsch staute 1789 das Flüßchen oberhalb von Ratshausen zu einem gefährlichen See, und 1851 übertraf ein Rutsch an der Südkante des Plettenbergs alle vorausgegangenen an Ausdehnung und Schaden so weit, “dass man in Ratshausen an den Untergang der Welt dachte“; beinahe 300 Morgen Wald und Feld wurden dabei gänzlich zerstört. Heute noch sind an den Bergen die Stellen offen, an denen einst die Kalkfelsen an- und nachbrachen, als unter ihrem Druck die durchfeuchteten Mergel und Tone nachgaben. Alle diese Bergrutsche sind an-schauliche Beispiele für das Rückschreiten des Albtraufs, das auch in der Gegenwart unentwegt weiter geht. Als Weilen vor der Jahrtausendwende besiedelt wurde, reichte die Sohle der Deilinger Pforte, von Plettenberg und Ortenberg etwas weiter gegen die Schlichem. Gehen wir noch weiter zurück in die graue Vorzeit, müssen wir jeweils vorn weitere Stücke anfügen, am meisten dort, wo heute die Zerstörung am stärksten ist: an den Endender Schluchten. Diese füllen sich, die Sporne verbreitern sich und wachsen zusammen zu einer einheitlichen Platte. Die breite, flache Talsohle des Deilinger Mühlbachs schiebt sich 130-140 m über dem heutigen Weilen vor. Sie rückt langsam dorthin wo der blaue Himmel hereinschaut.

Panorama vom Fuß des Wochenberges aus


Auch Plettenberg und Ortenberg nähern sich, und der Albrand liegt weiter im Westen. Je länger das Tal wird, desto größer wird auch der Bach in seinem Grund. Und schließlich ist das Missverhältnis zwischen Bach und Tal ausgeglichen; denn wir haben den Bach über dem heutigen Grund vor uns, der das Mühlbachtal erzeugte. Was heute noch erhalten ist, sind nur die letzten Kilometer eines Tals, nur ein Talstumpf, ein „geköpftes Tal“.


Vor rund 140 Millionen Jahren, als sich das Jurameer nach Südosten zurückzog, weil sich sein Meeresboden langsam von Norden immer mehr aufwölbte, setzte die Arbeit der Donau ein. Unsere Flüsse flossen, wie heute noch die Bära, zunächst mit geringem Gefälle nach Südosten. Als aber im Tertiär, vor rund 40 Millionen Jahren, erneut das Meer infolge Senkung der Landschaft ins Voralpenland vorstieß, und bis auf die Alb bei Stetten am kalten Markt, Winterlingen usw. reichte (Meeresküste 0 m), verstärkte sich das Gefälle dieser Flüsse, und sie konnten daher stark abtragen. Doch am Ende des Tertiärs und in der folgenden Zeit wurden das Alpenvorland und unsere Alb wieder gehoben (zum Beispiel bei Winterlingen bis auf 800 m). Das Alpenvorlandmeer zog sich langsam nach Osten zurück. Die Donau bekam dadurch einen weiten Weg zum Meer. Das Gefälle ihrer Albzuflüsse, wie Bära, verringerte sich. Sie konnten die anfallenden Schuttmassen nicht mehr verfrachten und mussten sie liegenlassen (Weißjuraschuttdecke bei Deilingen bis in das Tal und Versumpfung des Tales). Dazu kam aber noch etwas anderes.


Der Neckar und seine Nebenflüsse konnten nach den Einbrüchen des Rheintalgrabens infolge ihres starken Gefälles Stück um Stück erobern. Auf der Wende vom warmen Tertiär zum Diluvium (Eiszeit) war der Neckar schon bis Rottweil vorgedrungen. Die Schlichem nagte sich nun von Westen her rückwärts ein und griff unser „Urtal“ über Weilen, das Deilinger Mühlbachtal, das sich schon bis in den mittleren Braunjura eingetieft hatte, in der Flanke an und „köpfte“ es. In den darunter liegenden weicheren Schichten konnte die Schlichem jetzt gewaltig ausräumen und die tiefe trichterförmige Bucht bei Weilen formen, indem sie und ihre Nebenbäche (Mittel- und Weilenbach) im Verlauf von Jahrmillionen die über 100 m mächtigen, schiefrigen Tone talab verfrachteten. Nur der schön geformte Wochenberg, der aus dem etwa 30 m starken Schichtenstoß der harten „Wasserfallschichten“ mit überlagernden Kalksteinen besteht, konnte sich etwas abseits als schmaler, steilabfallender, vorspringender Bergrücken im unteren Braunjura erhalten.


So haben wir heute zwei ganz verschiedene Landschaften einander gegenüber: die alte (danubische) Donau-Landschaft bei Deilingen mit ihrem breiten, gefällschwachen Tal, mit geringem Relief und mächtigen Verwitterungsböden sowie die junge rheinische Ausräumungslandschaft bei Weilen mit ihren engen Tälern, ihren gefällstarken Wasserläufen und mit ihren steilen Hängen. Die Grenze lässt sich fast bis auf den Meter feststellen. Sie folgt dem Stirnrand von Lemberg, Hochberg, und Oberhohenberg, steigt herab in die Deilinger Pforte und zieht weiter über den Ortenberg zum Tanneck.





1.2   Mindestens sechs Grabhügel der Früheisenzeit


Schon vor mindestens 4000 Jahren gab es Menschen in unserer Gegend. Man fand auf dem Plettenberg Siedlungsreste und Feuersteinwerkzeuge aus den unruhigen Zeiten zu Ende der Jungsteinzeit (4000 bis 1800 vor Christus), bei Delkhofen ein Steinbeil und bei Schömberg 2 Pfeilspitzen aus Feuerstein, das Bruchstück eines stark verwitterten Steinbeils aus grauem Gneis und das Schneidenbruchstück eines feingeschliffenen Steinbeils. Diese Menschen stellten Geräte und Waffen aus Stein und Bein her, trieben Ackerbau züchteten Rind, Schaf, Ziege und Schwein. Die Gefäße formten sie von Hand, Schnüre und Gewebe stellten sie aus Pflanzenfasern her.


Nach einer kurzen Übergangszeit entdeckten die Menschen 1 800 vor Christus durch Mischung von Kupfer und Zinn in der goldglänzenden Bronze einen gebrauchsfähigen Werkstoff für Geräte, Waffen und Schmuck. Man nennt daher diesen Zeitabschnitt die Bronzezeit (1 800-800 vor Christus). Das Klima war trockenwarm mit einem Jahresmittel, das über dem heutigen lag. Anfänglich überwog der Weidebetrieb den Ackerbau. Aus der Bronzezeit, in der die Hochfläche der Alb schon stärker besiedelt war, finden sich auch in der Schömberger Gegend und auf dem Plettenberg zahlreiche Spuren. Die Toten wurden mit all dem, was sie im Leben getragen haben (Schmuck, Waffen usw.), bestattet.


Um 800 vor Christus trat neben die Bronze als weiterer Werkstoff das Eisen. Deshalb bezeichnet man den neu beginnenden Zeitabschnitt (800-500 vor Christus) als Früheisenzeit. Nach der Stadt Hallstadt im Salzkammergut, wo die ersten Funde gemacht wurden, ist auch die Bezeichnung Hallstattzeit gebräuchlich. Das Klima war kühler und regenreicher. In unserer Gegend wohnten damals die Kelten. Sie betrieben hauptsächlich Ackerbau, Viehzucht und Jagd. Aber allmählich bildete sich eine weitgehende handwerkliche und soziale Gliederung heraus. Mächtige und reiche Fürsten geboten im Land, und unter ihrem Machtgebot entstanden um 500 vor Christus die großen Wallanlagen auf dem Plettenberg und Schafberg sowie Fliehburgen (Gräbelesberg) für Zeiten der Bedrohung durch Feinde.


Aus der Eisenzeit wüssten wir nicht viel, hätten nicht die Kelten in ihren Grabstätten, den großen und kleinen Grabhügeln, Waffen, Geräte, Gefäße und Schmuck aus ihrem Alltag hinterlassen. In einer flachen Grube, die man mit Lehm ausstrich, legte man den Toten in die Erde, angetan mit all seinen Gewändern, bewehrt mit den Waffen und im Schmuck der Kostbarkeiten, die er im Leben besessen. An sein Haupt stellte man große, prächtig verzierte Urnen, Schalen und Teller mit Lebensmittel für die weite Reise ins Reich der Toten. Als letzten Liebesdienst trug dann jedes Mitglied der Sippe Erde herbei, die zum weithin sichtbaren Mal, oft unter Einbau einer Holzkammer über dem Toten, aufgeschichtet wurde.